Wasserstoff mit grüner Energie vom Dach
Der urbanharbor will in seiner Strategie für eine nachhaltige und digitale Arbeits- und Lebenswelt einen weiteren Meilenstein setzen: Jetzt soll auch die Produktion von grünem Wasserstoff auf dem großen Areal in der Weststadt Einzug halten.
Wasserstoff gilt als einer der wichtigsten Energieträger der Zukunft. Er kommt aber nicht so recht aus den Startlöchern heraus. Die Herstellung von Wasserstoff auf dem Weg der Elektrolyse hat den Ruf, es gehe nur mit großen Anlagen im industriellen Maßstab. Zu hören ist dann von Mega-Projekten in direkter Nachbarschaft von großen Windparks auf See. Dass es viel schneller und effizienter in kleineren, dezentralen Anlagen vorangehen kann, das will Max Maier in seinem urbanharbor zeigen und dort gemeinsam mit den Stadtwerken Ludwigsburg in die Herstellung von Wasserstoff einsteigen.
Lokaler Wasserstoff, das ist eine Strategie, die dieser Tage auch das Handelsblatt in einer Analyse beleuchtet hat. Die teuerste Form der Bereitstellung von Wasserstoff sei es, die Herstellung direkt bei neu errichteten Windparks im Norden zu platzieren, wird ein Branchenexperte zitiert. Die Elektrolyse müsse vielmehr in der Nähe der Abnehmer stattfinden, also in den industriellen Ballungszentren. Und die liegen eher im Süden. Die Erzeugung und Verteilung von Wasserstoff als lokales und regionales Thema – es steckt laut Handelsblatt noch ganz in den Anfängen. Und ein solcher Anfang soll jetzt in Ludwigsburg im urbanharbor gemacht werden.
Ein Grundgedanke dabei: Anders als bisher, wo Wasserstoff vor allem aus Erdgas gewonnen wird, also aus einem fossilen Energieträger, soll der Wasserstoff grün werden. Sprich: Die Energie zur Elektrolyse muss aus regenerativen Energien kommen. Das kann Windenergie sein, genauso gut aber auch Sonnenenergie. Und davon wird es im urbanharbor einige geben. Schon länger beschlossen und auf den Weg gebracht ist der Bau einer großen Photovoltaikanlage auf dem Dach einer der ehemaligen Industriehallen.
Es ist jene Halle, die Maier derzeit zum neuen Vorzeigeprojekt innerhalb des Gesamtprojekts urbanharbors für neue innovative Mieter umbaut (siehe auch Grafik oben). Die Halle liefert mit der Solaranlage auf dem Dach bis zu 3 Mal so viel Energie als es für den Betrieb im Inneren benötigt. Damit stellt sich auch hier eine der Kernfragen der künftigen Energiewirtschaft, wie man überschüssige Energie aus Wind und Sonne zwischenspeichern kann.
Der urbanharbor gibt zwei Antworten. Zum einen mit Batteriespeicher-Systemen. Diese Technologie hat auf dem Areal jüngst bereits Einzug gehalten. Als zweite Antwort neu dazukommen soll jetzt die Produktion von Wasserstoff als Speicher für die Sonnenenergie. Eine Produktionsanlage, auch Elektrolyseur genannt, soll aufgebaut werden. Im Grund geht es dabei zunächst um eine Einheit in der Größe eines Containers. Bis zu 8400 Kilogramm Wasserstoff können nach ersten Berechnungen mit der Sonnenenergie vom Dach gewonnen werden. Das entspreche über 800 000 gefahrenen Kilometern eines Brennstoffzellen-Pkws.
Der Plan im urbanharbor: Der Wasserstoff soll den Verkehr von Lastwagen und Bussen sauber machen. Das könnten Entsorgungsfahrzeuge der Abfallverwertungsgesellschaft des Landkreises ebenso sein wie Busse des Öffentlichen Nahverkehrs, auch eine Stadtbahn. Und in Kooperation mit dem speisewerk, das im urbanharbor seinen Sitz hatkönnten die jetzt schon in Mehrwegsystemen verpackte Speisen durch eine Flotte wasserstoffbetriebener Fahrzeuge verteilt und abgeholt werden.
Es ist die Überzeugung von Familie Maier: „Die Energie- und Mobilitätswende kann uns nur ganzheitlich betrachtet gelingen, wenn wir vor allem durch die Transformation der Bestands-Immobilien mehr Energie erzeugen, diese bedarfsgerecht verteilen, speichern und intelligent für verschiedene Nutzungen zur Verfügung stellen.“
Erschienen am 18. Juli 2020 in der LKZ
Autor Peter Maier-Stein
Immobilien in einer neuen Dimension – LKZ
Die Transformation ehemaliger Industrieareale geht im Ludwigsburger Gewerbepark urbanharbor in eine neue Dimension. In der Hülle einer leeren Fabrikhalle entsteht mit den Mitteln neuer und digitaler Technologien ein Ort für Arbeitsplätze der Zukunft – CO2-frei und mit dem superschnellen 5G-Mobilfunk vernetzt.
Die Halle gehört der Familie Max Maier, wie auch all die anderen Hallen und Gebäude auf dem Areal der einstigen Maschinenbaufabrik Hüller-Hille. Vieles ist schon umgebaut, Bosch und Porsche sind eingezogen. Bei der letzten der Hallen, mit 10.000 Quadratmetern Grundfläche die größte, will Maier zusammen mit seinem Sohn, auch er heißt Max, noch deutlich mehr erreichen als bisher: sowohl was die energetische Effizienz der Immobilie selbst angeht, als auch die technischen Möglichkeiten für die Nutzer in den Räumen.
Grundlage ist dabei dieselbe Immobilienphilosophie, mit der Max Maier auch schon die Transformation des benachbarten Eisfink-Areals zum Werkzentrum West angegangen war: möglichst keine Neubauten, sondern die Verwertung und Transformation von bestehenden Gebäuden. In der Fachsprache geht es dabei um die graue Energie, also all das, was an Rohstoffen, Material, Transport und Energieverbrauch anfällt, um ein Produkt herzustellen, hier eine Immobile. Bei der Nutzung von bereits gebauten Immobilien ist das meiste/vieles schon vorhanden, Ressourcen und Umwelt werden geschont.
Beim jetzt anstehenden Hallenprojekt namens „hybrid loop“ werden wieder nach dem Haus-im-Haus-Prinzip in der bestehenden Gebäudehülle neue Etagen und Räume eingezogen, diesmal jedoch mit einer neuen Generation technologischer Ausstattung. Es werden jene Register gezogen, die heute Digitalisierung und Vernetzung bieten. Was dazu alles nötig ist, kann ein Einzelner nicht mehr bewältigen, davon sind Vater und Sohn überzeugt. Sie sprechen von einer Kollaboration, also der engen Zusammenarbeit mehrerer Partner. Aus Ludwigsburg sind das zum Beispiel Mann+Hummel im Bereich Lüftung oder die Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim im Bereich Energie, dazu Firmen wie der Spezialist für Ventilatoren, Lüftungs- und Klimatechnik EBM-Pabst, avat für Energiemanagement, der Leuchtenhersteller Osram, der Reinigungsspezialist Kärcher, auch der Energiekonzern EnBW. Und natürlich Porsche und Bosch, die im Urbanharbor bereits residieren.
Eines der Elemente auf dem Weg zur CO-freien Immobilie: eine neue Solaranlage auf dem Dach der Halle und auf einem benachbarten Dach, 10.000 Quadratmeter groß. Dazu kommt ein großer Stromspeicher. „Das Gebäude als Kraftwerk und Energiespeicher“, sagt Max Maier senior dazu. Ein weiteres Element: große unterirdische Zisternen, die nicht nur als Auffangbecken für Regenwasser dienen können, sondern jetzt auch als Warmwasserspeicher.
An der Nordfassade, dem Haupteingang, werden die Gestaltungsparameter Illumination und Kunst sein, die Südfassade hingegen wird das Mikroklima durch eine „Naturfassade“ positiv beeinflussen. Durch diese Elemente wird der Industriecharakter emotional für die Besucher und insbesondere für die Mitarbeiter aufgeladen. Ein für den Urbanharbor bereits arbeitendes Blockheizkraftwerk wird angeschlossen, ebenso die im Areal bereits vorhandene Technologie eines Eisspeichers revitalisiert.
Das Konzept der Kollaboration reicht über die Halle hinaus, etwa mit der Verbindung der Solaranlage auf dem Dach und dem Stromspeicher mit Elektroautos draußen, dort bis hin zum automatisierten Stromtanken von Fahrzeugen und weiter zum digitalen Parkplatzmanagement sowie dem autonomen Fahren.
Von den Partnern soll in der Kollaboration nicht jeder seine Kernkompetenz einbringen, es soll alles nicht nur zusammen gedacht werden, sondern digital in einer zentralen Computerplattform zusammenkommen. In dieser Plattform fließen die Daten aus allen Bereichen der technischen Infrastruktur sowie von zusätzlichen Sensoren zusammen. Hier sitzt die digitale Intelligenz, um alles in und um die Immobilie bedarfsgerecht zu steuern, in jedem Moment, in jedem Winkel. Das soll zum Beispiel ermöglichen, einzelne Räume und Gebäudebereiche fast auf den Quadratmeter genau mit Energie, Wärme und Kühlung individuell zu versorgen. Bedarfsgerecht wird die nötige Energie zugeführt, oder gedrosselt und dann in andere Bereiche, wo gerade Energiebedarf entsteht, umgeleitet. Die Fachleute reden bei dieser Art der digitalen Steuerung der Energieflüsse von einem Smart Grid, einem intelligenten Netzwerk.
Mitentscheidend dabei ist eine möglichst schnelle Übertragung von digitalen Daten. Dazu soll im Urbanharbor neben der Glasfaser auch ein 5G-Mobilfunk eingerichtet werden. Dies nicht nur für die Steuerung der Immobilie, sondern vor allem für die Nutzer der Halle, denn die sollen dort an der Fabrik der Zukunft arbeiten, die Möglichkeiten der sogenannten Industrie 4.0 weiterentwickeln.
Für die Datenverarbeitung soll es nicht in die Cloud, also auf den Server eines fernen Rechenzentrums gehen. Die zentrale Plattform wird über einen Server im Gewerbepark laufen. Das bedeute weniger Energieverbrauch und größere Sicherheit, sagt Max Maier.
Er und sein Vater haben für dieses Herzstück auch schon einen Namen, die „mm data engine“. Auf dieser Plattform sollen nicht nur alle digitalen Daten zusammenfließen, hier können die Partner der Kollaboration diese Daten auch selber abrufen und sie für technologische Entwicklungen eigener Geschäftsmodelle nutzen.
Einen Namen gibt es auch für das, was sich im Inneren der Halle abspielen soll: „hybrid loop“. Das steht für die hybride Nutzung der Halle sowohl mit Büroräumen als auch mit Bereichen, die den Entwicklern als Laborwerkstatt zum Test realer Produkte dienen. „Loop“ ist ein Fachwort aus der Computersprache, steht für die Schleife beim Programmieren, betont in „hybrid loop“ die digitale Reichweite des Projekts. Wer einzieht, soll noch nicht öffentlich werden, die Firmen wollen sich noch bedeckt halten. Klar ist aber schon eines: Der „hybrid loop“ wird bei der EXPO 2020 in Dubai als einer der deutschen Beiträge präsentiert.
Erschienen am 07. September 2019 in der LKZ
Autor Peter Maier-Stein