MAXMAIER URBANDEVELOPMENT INTERVIEW

INITIATOR MAX MAIER ÜBER DIE TRANSFORMATION DER LUDWIGSBURGER WESTSTADT.

In der Ludwigsburger Weststadt läuft seit Jahren die Transformation eines ehemaligen Industrieareals. Wo einst produziert wurde, haben jetzt Start-ups und neue Unternehmen Räume gefunden – Räume, die in die Bestandsbauten implantiert wurden. Ein Interview mit dem Initiator und Entwickler Max Maier.

Nicht ohne Grund hat das Transformationsprojekt Urbanharbor den Meta-Preis im Rahmen des Focus Open 2022 erhalten. Schließlich geht es hier um so essenzielle Aspekte wie Energieoptimierung, Nachhaltigkeit, Vernetzung sowie CO2-Neutralität. In den alten Industriehallen arbeiten heute junge neben etablierten Unternehmen.

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Urbanharbor hat, wenn man genau hinschaut, eine lange Geschichte. Wo liegen die Wurzeln?
MAX MAIER: Alles begann mit der Eröffnung des Ludwigsburger Bahnhofs Ende des 19. Jahrhunderts. Damit entstand ein sehr attraktiver Standort für Industrie- und Gewerbebetriebe, die sich dort nach und nach ansiedelten. Zunächst als kleine Handwerksbetriebe gegründet, wuchsen die Unternehmen im Verlauf des 20. Jahrhunderts zu bedeutenden Großbetrieben, zu den bekannten Ludwigsburger Traditionsfirmen heran. Die ehemals landwirtschaftlich genutzten Flächen wurden zu Gewerbe- und Industrieflächen transformiert.

Mit die wichtigsten Treiber des Ausbaus waren immer schon Infrastruktur und Mobilität. So ist das Gebiet mit der Innenstadt genauso gut vernetzt wie mit der prosperierenden Region und der Autobahn A81. Der Wandel vollzog sich also auf allen Ebenen.

Und wann kam der Moment des heute aktuellen, zweiten Wandels?
MAX MAIER: Rückblickend schon 1982, mit meinem Einstieg bei Eisfink. Der Hersteller von Gastro-Kühlschränken war 1972 vom benachbarten Asperg in die Ludwigsburger Weststadt gezogen, befand sich aber zehn Jahre später in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Es gelang mir, das Unternehmen aus der Krise zu führen und fokussierte mich dann auf die Entwicklung der Produktionsflächen. Kern war und ist die Transformation des industriellen Areals, um Platz für eine Vielfalt aus Dienstleistungsbetrieben, Architekturbüros, Marketingagenturen und großflächigem Einzelhandel zu schaffen. Ich habe meinen Fokus stets darauf gelegt, Leben und Arbeiten zu vereinen und so eine Stadt in der Stadt zu bauen. Dafür sind lebendige und emotionale Gemeinschaftsflächen zwingend notwendig, weshalb ich zu Beginn der 2000er-Jahre Industriehallen zu Gastronomie- und Eventlocations revitalisiert habe. Damit entstand beispielsweise das Werkcafé und das Alte Werkcafé.

  

Und dann?
MAX MAIER: Den nächsten Meilenstein in Richtung Arbeiten und Leben der Zukunft haben wir im November 2016 mit der Eröffnung der Rieber Flagshipkitchen Speisewerk gesetzt. Wir haben die ehemalige Hüller-Hille-Halle zum Dreh- und Angelpunkt des Urbanharbors transformiert – heute bieten wir hier CO2-neutrale Arbeitsplätze für junge, kreative Start-ups, etablierte Unternehmen sowie Gastronomie und Handel.

  

Industrielle Transformation bedeutet meist den Einsatz der Abrissbirne. Sie haben darauf verzichtet – warum?
MAX MAIER: Prägender Hintergrund meiner Vision ist der Bezug zur industriellen Historie des Areals. Die Architektur des Ortes bewahrt stets die Energie der Vergangenheit, das macht die alten Industriebrachen zu Räumen des Lebens. Leben ist vielschichtig, deshalb verfolge ich mit Urbanharbor die Intention, das Areal zu einer eigenen Stadt, mit einem eigenen Ökosystem von Unternehmen, Gastronomie, Einzelhandel und Unterhaltung auszubauen. Das Ziel ist, Natur, Mensch, Räume und Technik zu einem urbanen Wirkungsgefüge zu vereinen, aus dem das Neue wachsen kann. Die auf der Industriegeschichte basierende kulturelle Verantwortung für das Bestehende verbietet selbstverständlich den Abriss – ganz unabhängig von der grauen Energie, die in den Bestandsgebäuden steckt und durch den Abriss vernichtet wäre.
Wie wird sich das Areal künftig entwickeln?
MAX MAIER: Leben und Arbeiten in Städten wird sich grundlegend verändern, sie werden verschmelzen. Es ist der Mensch, der beim Wandel der Arbeitswelt für uns im Zentrum steht. Seine Bedürfnisse und Wünsche sollten bei der Gestaltung seines Arbeitsumfelds berücksichtigt werden.

Die aktuell wichtigste Entwicklung für unser Areal hinsichtlich der Energieversorgung ist die CO2-Neutralität, die wir uns bis 2030 für das komplette Areal zum Ziel gesetzt haben.

 

Nochmals die Frage, hätte es Alternativen zur Transformation gegeben?
MAX MAIER: In einem Wort: Nein.

 

Interview: Armin Scharf
Fotos: Maxmaier Urbandevelopment

© Thunert Fotograf

we capture more CO2 in our real-estate than we emit

t CO2 e/a
Ersparnis durch überschüssigen PV-Strom (hybrid loop | bilianziell für ein Gebäude erfasst)
you have to plant 5040 trees to compansate 63 t CO2 e / year
Kompensation CO2 Natur

Um eine Tonne CO2 aufnehmen zu können, muss die Buche etwa 80 Jahre wachsen. Das heißt: Pro Jahr bindet die Buche 12,5 Kilogramm CO2. Sie müssten also 80 Bäume pflanzen, um jährlich eine Tonne CO2 durch Bäume wieder zu kompensieren.